Es ist ein tragischer Fall. Nach fast 20 Jahren glücklicher Ehe erleidet die Frau eine Hirnblutung. Sie wird vollständig pflegebedürftig und verliert die Fähigkeit, Emotionen zu empfinden oder zu zeigen. Sie ist wach, sich dessen aber nicht bewusst. Um sich um sie zu kümmern, nimmt der Vater sie zur häuslichen Pflege auf. Weil das Verhältnis zwischen dem Vater der Ehefrau und dem Ehemann schlecht ist, pflegt der Ehemann den Kontakt zu seiner kranken Frau immer seltener, bis es schließlich zum totalen Kontaktabbruch kommt. Der Ehemann verliebt sich unterdessen in eine andere Frau. Nun will er sich von seiner Ehefrau scheiden lassen. Darf er das? Weil seine Frau geisteskrank geworden ist?
Das bejahte jüngst der Oberste Gerichtshof in Österreich. Weil die Ehefrau nicht mehr am Lebens- und Gedankenkreis des Ehemannes teilhaben könne, müsse die Scheidung zulässig sein.
Aber wie würde man den Fall in Deutschland entscheiden? Jedenfalls nach dreijährigem Getrenntleben wäre eine Scheidung möglich. Um sich schon früher scheiden zu lassen, muss die Ehe gescheitert sein. Geisteskrankheit eines Ehepartners allein führt aber noch nicht automatisch zum Scheitern der Ehe. Wenn sich aber der eine Ehepartner von seinem geisteskranken Ehepartner innerlich so weit distanziert, dass von einem Willen zur ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr gesprochen werden kann, wird man die Ehe als gescheitert betrachten müssen. In dem Fall, den der österreichische Oberste Gerichtshof entschieden hat, war einer Seelen- und Lebensgemeinschaft jegliche Grundlage entzogen. Deshalb war diese Ehe wohl auch nach deutschem Recht gescheitert. Man muss dabei natürlich Fragen des Rechts und der Moral auseinanderhalten: Dass es moralisch anstößig sein kann, dass der eine Ehepartner dem anderen die Loyalität aufkündet, sobald dieser pflegebedürftig geworden ist, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls die wirtschaftliche Lebensgrundlage des geisteskranken Ehepartner wird aber durch die Unterhaltspflicht nach Scheidung bewahrt.