Begründet mit dem Scheidungsverbot Jesu in der Bibel hält die Katholische Kirche auch weiterhin daran fest, das wiederverheiratete Geschiedene nicht zur Kommunion und damit zum Sakrament der Eucharistie zugelassen werden. Papst Benedikt XVI. hatte im Vorfeld seines Deutschland-Besuchs im September 2011 erkennen lassen, dass er nicht zu Änderungen an der geltenden Praxis bereit ist. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, setzt sich allerdings auch aktuell weiterhin dafür ein, Katholiken nach einer Scheidung und Wiederheirat, die Teilnahme am Abendmahl zu ermöglichen. „Wir sind an dem Thema dran, und Sie dürfen sicher sein, dass ich über das Thema mit ganz verschiedenen Stellen im Gespräch bin“, sagte Zollitsch dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ein entsprechender Vorstoß im Jahr 2011 war auf heftigen Widerstand unter anderem des Kölner Kardinals Joachim Meisner gestoßen.
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Am 24. November 2012 hat das Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) eine Resolution zu einem anderen Umgang mit den Wiederverheirateten Geschiedenen verabschiedet. Hierzu einige grundsätzliche Überlegungen.
Allen Unkenrufen zum Trotz genießt die Ehe in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert – auch bei denen, deren Beziehung gescheitert ist. In der Katholischen Kirche brodelt die Debatte um die wiederverheirateten Geschiedenen. Auch in dieser Debatte geht es um den Wert der Ehe und um die Bewahrung des unauflöslichen Charakters des Ehesakraments. Es geht hier aber auch um den Umgang mit dem Scheitern und um die Seelsorge an denen, deren Lebensentwurf zerbrochen ist und die nun ihr Glück in einer neuen Partnerschaft gefunden haben.
Der hohe Wert der Ehe
„Die Ehe verliert an Bedeutung“ – „Brauchen wir die Ehe noch?“ so titelten zwei große überregionale Tageszeitungen im Sommer diesen Jahres ihre Beiträge zum Thema Ehe. Es gibt aber genügend Gründe den Spieß einmal umzudrehen und die hohe Wertschätzung gegenüber der Ehe in den Blick zu neh-men.
Nach der repräsentativen Umfrage des Allensbach-Instituts im Rahmen der JACOBS Krönung Studie „Partnerschaft 2012: Zwischen Herz und Verstand“ ist der Zuspruch zur Institution Ehe bei drei Viertel aller Befragten in Westdeutschland in den letzten dreißig Jahren ungebrochen hoch. Gerademal 16 Prozent halten die Ehe für überholt. Und zwei Drittel der 1800 befragten Frauen und Männer sind davon überzeugt, dass sie einen Partner finden können, mit dem sie ihr ganzes Leben (!) glücklich sein können. Alles nur Theorie oder Wunschvorstellung? Nein!
Schauen wir einmal auf die Realität, indem wir die Zahlen betrachten, die sonst verschwiegen oder verdreht werden: Weit mehr als fünfzig Prozent aller Ehen halten ein Leben lang – angesichts des oftmals beklagten Wertewandels und der Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft schlicht unglaublich, aber wahr. Dieser positive Eindruck lässt sich sogar noch bei den gescheiterten Beziehungen ablesen: Wenn die durchschnittliche Dauer der Ehe zum Zeitpunkt der Scheidung vom Statistischen Bundesamt mit 14,5 Jahren angegeben wird, kann man doch auch dort nur zugestehen, dass dieser lange Zeitraum etwas Wertschätzendes zum Ausdruck bringt. Die Ehe ist also KEIN Auslaufmodell!
Die Debatte in der Katholischen Kirche
Seit einigen Monaten wird nun auch im großen Stil über die hohe Bedeutung der Ehe in der Katholischen Kirche debattiert, nämlich im Zusammenhang mit der Frage nach dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Natürlich sind auch hier wieder einmal die „üblichen Kirchenkritiker“ zu finden, die die Chance nicht verpassen wollen und ihre eigenen Probleme mit den Strukturen der Katholischen Kirche oder bestimmten Amtsträgern nun auf dieses Feld projizieren. Fragwürdige und (auch im religiösen Sinne) geistreiche Argumente finden sich auf Seiten der Reformwilligen und Reformgegner. Aber worum geht es in dem eigentlichen Streit wirklich?
Die Lehre der Katholischen Kirche
Zunächst einmal geht es um den oben skizzierten Wert der Ehe. Nach katholischem Verständnis gehört die Ehe zu den sieben Sakramenten. Das heißt: Sie ist ein besonderes Zeichen, in dem die Wirklichkeit Gottes zum Ausdruck kommt. Konkret spiegelt sich in der Liebe der ehelichen Partnerschaft die Liebe Gottes zu den Menschen bzw. die Beziehung Christi zur Kirche wider. Da der Bund Gottes mit den Menschen unwiderruflich ist, gilt auch die Ehe als unauflöslich. „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ so heißt es in den Evangelien. Eine Wiederheirat nach Scheidung wird in diesem Kontext durch Jesus ausgeschlossen. Sie wird der Unzucht/dem Ehebruch gleichgesetzt, was damals ein extrem verwerfliches Verbrechen war, das zum Teil mit dem Tode bestraft wurde. Diese Unauflöslichkeit der Ehe wird heute rechtlich in den Paragraphen (Canones) des katholischen Kirchenrechts (im Codex Iuris Canonici von 1983) geregelt. Man muss nicht einmal Theologe sein, um die Bedeutung eines absolut gültigen (Ehe-)Vertrags zu verstehen. So macht zum Beispiel der Philosoph Immanuel Kant durch seinen kategorischen Imperativ und die Ausführungen in „Zum ewigen Frieden“ auf die Probleme von vorbehaltlichen Versprechen aufmerksam: Wenn nicht jeder seine Verträge uneingeschränkt wahrhaftig einzuhalten gedenkt, wird der Sinn von Verträgen ad absurdum geführt. Die Reformgegner sehen daher in jeder Lockerung den Wert der Ehe gefährdet.
Die Reformer
Die Reformer stellen nicht den Wert der Ehe in Frage, sondern nehmen zunächst einmal das Scheitern von Menschen und den gebotenen barmherzigen Umgang mit ihnen in den Blick. Auch sie können sich auf die Bibel und die Praxis der Kirche berufen. So schränkt im Matthäusevangelium Jesus selbst das absolute Verbot der Scheidung (und Wiederheirat) durch eine Ausnahmeformulierung „außer im Falle des Ehebruchs“ ein. Weitere Lockerungen finden sich in den Briefen des Neue Testaments. Zudem geht Jesus mit seinen Worten und seinen Taten gegen rigoristische Rechtspraktiken vor und zeigt selbst einen barmherzigen Umgang mit Ausgegrenzten und Sündern. Hierfür einige Beispiele: Die Männer, die rechtlich abgesichert ihre Frauen aus nahezu beliebigen Gründen aus der Ehe wieder entlassen konnten, hält er zur Einehe an; die dem Tode ausgelieferte Ehebrecherin nimmt er hingegen in Schutz; den Sohn, der seinen Erbteil verprasst hat, schließt der barmherzige Vater im bekannten Gleichnis vor jeder Rechtfertigung in seine Arme.
Die Kirche selbst hat aus diesem Grunde im Laufe der Geschichte immer wieder Ausnahmen und Sonderregelungen formuliert, die Wiederheirat zu ermöglichen – vom ursprünglichen Verbot der Scheidung (!) spricht heute keiner mehr. Die Westkirche hat vor allem sogenannte Ehenichtigkeitsgründe in den Blick genommen. Hier wird geprüft, ob die erste Ehe unter Umständen gar nicht zustande gekommen ist und der Ehevertrag somit als nichtig erklärt werden kann. Einer kirchlichen Wiederheirat würde in einem solchen Fall nichts entgegenstehen, da es sich streng genommen um gar keine zweite Ehe handelt. Diese Chance steht jedem Katholiken heute offen, aber nur wenige nutzen diese Möglichkeit, weil sie noch zu wenig bekannt ist. Lobenswerter Weise haben einige Bistümer in den letzten Monaten eine Informationskampagne gestartet, um den Betroffenen auf diese Weise zu helfen.
Weitere Möglichkeiten könnten sich durch den ökumenischen Blick auf die in Deutschland nach wie vor wenig bekannte orthodoxe Schwesternkirche ergeben. Aus diesem Grunde lud zum Beispiel die Stiftung Pro Oriente, eine katholische Stiftung zur Förderung der Beziehung zu den Ostkirchen, Anfang Oktober in Linz zu einem Vortrag von orthodoxen Fachleiten wie Dr. Dr. Anargyros Anapliotis und Dr. Sorin Bugner ein. In der nicht gerade als revolutionär verdächtigen Orthodoxen Kirche gilt die Ehe einerseits als unauflösliches Sakrament, das sogar über den Tod hinaus bestehen bleibt. Das bedeutet in der Konsequenz: Weder die Wiederheirat nach dem Tod des Partners noch nach der Trennung entspricht der strengen kirchlichen Lehre. Das spiegelt konsequent die oben genannte neutestamentliche Lehre wider. Andererseits stellt man der strengen Lehre (Orthodoxie) die Praxis der Barmherzigkeit mit dem Oikonomia-Prinzip zur Seite (Orthopraxie). Auch das deckt sich mit der be-schriebenen Praxis Jesu. So gesteht man den Menschen aus Gründen ihrer menschlichen Schwäche eine zweite Ehe zu – und dies nicht nur im Falle des leiblichen Todes. In Analogie zum Tod eines Partners attestiert man der gescheiterten Ehe quasi den Beziehungstod. Was man umgangssprachlich im „du bist für mich gestorben“ ablesen kann, wird in Bezug auf den Heiligen Geist, der eigentlich die Ehe beleben und „begeistern“ sollte, übertragen und von einem pneumatischen Tod gesprochen. Um im Bild zu bleiben: eine Reanimation einer toten Beziehung ist nicht mehr möglich. Bei all dem muss nun aber eines im Blick behalten werden: Der Orthodoxen Kirche kann man trotz dieser weicheren Praxis nun wahrlich keine mangelnde Wertschätzung gegenüber der Ehe vorwerfen. Das sollten die Reformgegner auf jeden Fall berücksichtigen!
Konsequenzen
Was bedeutet dies nun für den Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen in der Katholischen Kirche? Ein veränderter Umgang mit der Wiederheirat nach Scheidung geht nicht unmittelbar einher mit der Abwertung der Ehe. Die eigene barmherzige Praxis und der Blick über den Tellerrand auf die Orthodoxe Kirche bieten viele Möglichkeiten eines solchen veränderten Umgangs. Dass ein solches Umdenken dringend nötig ist, lässt sich bereits an vier kurzen Beispielen verdeutlichen:
1. Wiederverheiratete haben keinen offiziellen Zugang mehr zu den Sakramenten. Wenn nun beispielsweise das Zweite Vatikanische Konzil davon spricht, dass die Eucharistie (= das Abendmahl) „die Quelle und der Höhepunkt des christlichen Lebens“ sei, dann ist, entgegen allem schönfärberischen Reden, klar, dass Wiederverheiratete von dieser Quelle schlicht ausgeschlossen sind.
2. Eine als Kind von einem Priester mehrfach missbrauchte Frau wies darauf hin, dass sie als Wiederverheiratete keinen Zugang zur Eucharistie habe, der missbrauchte Priester hingegen, damals wie heute, als Spender der Eucharistie zugelassen sei. Hier stellt sich die Frage, ob das Konzept der „objektiven Sünde“, aufgrund dessen die Teilnahme am Sakrament untersagt ist, noch in vollem Umfang tragfähig ist.
3. Sehr eindrücklich verwies der Baseler Bischof Felix Gmür auf ein ihm bekanntes wiederverheiratetes Paar, das über 50 Jahre zusammen sei. Er sagte in diesem Zusammenhang: „Gelten denn diese fünfzig Jahre gar nichts in unseren Augen?“ D.h. eine differenzierte Sichtweise ist hier geboten. Neben der Forderung einer differenzierten Sicht und Praxis im Umgang mit Wiederverheirateten, die sowohl Papst Johannes Paul II. als auch Papst Benedikt XVI. forderten, sollten nun auch praktische Konsequenzen folgen.
4. Auch die Kinder sind die Leidtragenden! Bereits durch die Scheidung ihrer Eltern gerät ihr Leben teilweise aus den Fugen. Jeder kann sich nun selbst ausmalen, welche zusätzliche Last den Scheidungskinder durch das Handeln der Kirche zukommt – besonders, wenn den Eltern noch arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen.
Die ersten Schritte in Richtung eines Umdenkens mögen hier die Aufklärung über bereits bestehende Möglichkeiten der Ehenichtigkeitsverfahren und der individuellen Zulassung zur Eucharistie sowie die Lockerung des Arbeitsrechts sein, so dass nicht jeder Arbeitnehmer innerhalb der Katholischen Kirche aufgrund der Wiederheirat mit einer Kündigung zu rechnen hat. Es gilt abzuwarten, ob und wann die Katholische Kirche weitere Schritte, wie zum Beispiel die grundsätzliche Einladung Wiederverheirateter zu den Sakramenten oder eine nichtsakramentale Segnung der zweiten Ehe, erwägen wird. Von ganz alleine wird das vermutlich nicht geschehen. Dazu bedarf es des permanenten Dialogs und einer guten Portion Durchhaltevermögen seitens der Reformwilligen.