Der Bundesgerichtshof hat in seinem Entscheidung -XII ZB 39/11- beschlossen, dass bei der Berechnung des Kindesunterhalts ein fiktives Einkommen nur berücksichtigt wird, wenn eine reale Beschäftigungschance des arbeitslosen Unterhaltspflichtigen besteht.
Sobald ein Unterhaltsverpflichteter eine zumutbare Arbeit nicht aufnimmt, wird ihm bei der Berechnung der Höhe des zu zahlenden Kinderunterhalts ein fiktives Einkommen angerechnet.
Der Fall
Im vorliegenden Fall verklagte die geschiedene Ehefrau ihren Ex-Mann auf Zahlung des Kindesunterhalts für die gemeinsame Tochter. Der Ex-Mann hatte in der Vergangenheit eine Vielzahl an Berufen ausgeübt, war aber zur Zeit des Gerichtsverfahrens arbeitslos. Die Ex-Frau behauptete aber, ihr Ex-Mann könne sehr wohl arbeiten, er weigere sich lediglich dies zu tun und somit müsste ihm ein fiktives Einkommen angerechnet werden.
Amtsgericht
Das Amtsgericht Marburg stimmte der Ex-Frau zu und hielt den Mann für verpflichtet, Unterhalt zu zahlen.
Oberlandesgericht
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verneinte dagegen die Unterhaltsverpflichtung. Der Ex-Mann konnte keinen Kindesunterhalt aufbringen ohne seinen eigenen Selbsterhalt zu gefährden. Es sei auch aufgrund seines Berufslebens nicht zu erwarten gewesen, dass er einen Vollzeitjob überhaupt bekommen würde. Und bei einem Minijob wäre auch nicht ersichtlich gewesen, dass er einen Betrag bekommt, der sein Selbsterhalt übersteige, sodass wiederrum nichts abzugeben wäre. Daher kann ihm kein fiktives Einkommen angerechnet werden.
Die Ex-Frau legte dagegen Beschwerde ein.
Wechsel der Kläger zulässig
Nachdem die Beschwerde eingelegt wurde, führte die nun volljährige Tochter das Unter-haltsverfahren weiter, was der BGH für zulässig hält. Allerdings ist zu beachten, dass dies nicht automatisch nach Eintritt der Volljährigkeit geschieht.
Das Kind soll frei entscheiden können, ob es sich am Verfahren beteiligt oder es selbst fortsetzt.
Bundesgerichtshof
Der BGH bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts und wies somit die Beschwer-de der Ex-Frau zurück. Nach § 1603 Abs. 1 BGB sei der Mann nicht unterhaltspflichtig, denn er ist unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen nicht in der Lage, ohne seinen Selbsterhalt zu gefährden, einen angemessen Unterhalt zu zahlen.
Es sei zwar richtig, dass dem Unterhaltsverpflichteten ein fiktives Einkommen angerechnet werden kann, aber nur wenn dieser eine mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt. Dabei müsste aber eine reale Beschäftigungschance bestehen und dies sei hier nicht der Fall.
Der Bundesrichter sagt weiter, dass ein fiktives Einkommen berücksichtigt werden kann, wenn der Verpflichtete bei einem Minijob ein Einkommen erzielen könnte, was über dem Selbsterhalt liegen würde. In diesem Fall sei dies aber weder von der Tochter vorgetragen worden noch anders ersichtlich gewesen.