Kind hat kein Anspruch auf Idealeltern und optimale Förderung

silhouette-68870_640Die elterliche Sorge über ein Kind kann nur unter den Voraussetzungen der Kindeswohlgefährdung entzogen werden gemäß § 1666 I BGB. Das Kind hat aber keinen Anspruch auf Idealeltern oder optimale Förderung. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse gehören zum Schicksal und Lebensrisiko des Kindes.

Fall
Aus einer Ehe ging 2003 ein Kind hervor. Im November 2010 trennten sich die Eltern und das Kind lebte weiter bei seiner Mutter. Die Mutter beantrage nach einiger Zeit das alleinige Sorgerecht, denn es gab erhebliche Meinungsverschiedenheiten mit dem Vater.
Der Vater allerdings meinte, dass das Kind bei ihm besser aufgehoben sei. Die Mutter könne keine Kinder erziehen, ihre Söhne aus der vorausgegangenen Partnerschaft hätten ADHS und seien verhaltensgestört und unerzogen. Er beantragte daher das alleinige Sorgerecht.

Amtsgericht Marl
Das Amtsgericht Marl übertrug das alleinige Sorgerecht auf die Mutter des Kindes; dies entspreche dem Kindeswohl. Beide Eltern hätten Fehler in der Erziehung gemacht, aber es konnte nicht erwiesen werden, dass der Kindsvater besser als die Mutter zur Erziehung und Versorgung in der Lage war.
Der Vater legte Beschwerde ein.

Oberlandesgericht Hamm
Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte die Entscheidung aus Marl und wies die Beschwerde des Kindesvaters zurück.

Gründe
1. Es spreche nicht gegen das Kindeswohl, wenn das Kind in dem Bewusstsein aufwächst, dass beide Elternteile für es Verantwortung tragen. Die elterliche Sorge wird auf beide Elternteile aufgeteilt, wenn sie in Erziehungsfragen miteinander kommunizieren und kooperieren. Das alleinige Sorgerecht wird nicht gleich an ein Elternteil gegeben, nur weil es Spannungen oder Streitigkeiten zwischen den Eltern gibt.

2.Das alleinige Sorgerecht ist hier wohl förderlicher für das Kindeswohl. Ein alleiniges Sorgerecht ist vorzugswürdig, wenn die gemeinsame Sorge grundsätzlich nicht funktioniert, weil die Eltern sich einfach nicht einigen können. Dies liegt hier vor, die Parteien misstrauen sich gegenseitig.
Vor allem sei es kinderpsychologisch und familiensoziologisch nicht nachgewiesen, dass die gemeinsame elterliche Sorge das Kindeswohl besser fördert.

3. Nach der Einschätzung des OLG entspreche es dem Kindeswohl, der Mutter das alleinige Sorgerecht zu übertragen. Ein gemeinsames Sorgerecht könnte in diesem Fall eher zu einer Traumatisierung des Kindes führen, da es zu einem Bindungsabbruch zu einem Elternteil kommen könnte.

4. Zwar sei die Erziehungseignung beider Elternteile zweifelhaft, dennoch war die Entscheidung des Landesgerichts richtig. Die Entziehung einer elterlichen Sorge setze stets eine Kindeswohlgefährdung voraus (§ 1666 Abs. 1 BGB). Es müsse eine gegenwärtige, in solchem Maß vorhandene Gefahr vorliegen, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen, seelischen oder körperlichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. In diesem Zusammenhang müsse der Vorrang des Erziehungsrechts der Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) berücksichtigt werden. Dem Staat komme daher nur ein Wächteramt zu.

Kein Anspruch auf Idealeltern und optimale Förderung
Es gehört zu den Aufgaben des Staates für eine bestmögliche Förderung des Kindes zu sorgen. Allerdings umfasse das nicht den Anspruch auf Idealeltern oder optimale Förderung.
Die Eltern und deren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse gehören vielmehr zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Eine Trennung des Kindes von den Eltern oder einem Elternteil dürfe daher nicht damit begründet werden, dass andere Personen oder Einrichtungen besser zur Erziehung und Förderung geeignet sind. Da es an einer Kindeswohlgefährdung gefehlt habe, habe die Mutter trotz vorhandener Erziehungsdefizite das Kind behalten dürfen.

So entschied das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss -2 UF 227/12- vom 12.07.2013.

Quelle

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