Muss der Staat Scientology-Mitgliedern Sorgerechte für ihre Kinder entziehen?

Gefährdet Tom Cruise als überzeugter Scientology-Anhänger das Wohl seiner Kinder? Bild (c) MTV

Es ist die Promitrennung des Jahres: Zwischen Tom Cruise und Katie Holmes ist es aus. Doch woran ist das Liebesglück gescheitert? Wie die Klatschpresse jetzt breit berichtet, ist Scientology Schuld. Holmes befürchtete nämlich, dass ihre Tochter Suri durch Cruise vollends in den Sog der Sci-Fi-Sekte geriete. So soll Mister Mission Impossible der gemeinsamen Tochter verboten haben, eine normale Schule zu besuchen. Sie sollte vielmehr von Scientology-Anhängern unterrichtet werden. Jetzt hat Holmes das alleinige Sorgerecht beantragt. Das wirft die Frage auf: Dürfen Eltern, die überzeugte Anhänger eine dubiosen Sekte sind, das Sorgerecht entzogen werden? Ist es vielleicht sogar die Pflicht von „Vater Staat“, zum Wohl des Kindes das Sorgerecht einem oder beiden Elternteilen zu entziehen?

Ausgangspunkt im deutschen Recht ist, dass das Familiengericht das Sorgerecht ganz oder teilweise entziehen kann, wenn andernfalls das körperliche oder geistige Wohl des Kindes gefährdet ist. Nur weil die Eltern dem Kind aber eigenwillige Ansichten vermitteln, bedeutet das nicht, dass das Kindeswohl gefährdet ist. Immerhin kann man trefflich über Religion und Weltanschauung streiten, und wo kämen wir hin, wenn sich der Staat zum Richter über „gute“ und „schlechte“ (Nach-)Lebensansichten aufspielen würde! Dementsprechend sind die Gerichte auch sehr zurückhaltend, das Sorgerecht für Kinder aus dem einzigen Grund einzuschränken, dass ein Elternteil Mitglied in einer Sekte ist: So hat die Rechtsprechung mehrmals entschieden, dass die bloße Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas nicht das Kindeswohl gefährdet (OLG Düsseldorf 6 UF 198/98; OLG Hamburg 15 UF 215/94). Das Kindeswohl kann es sogar gerade gebieten, mit Sekten in Kontakt zu treten, wenn diese eine wichtige Rolle im Leben der Familie einnehmen: So ist dem Kind der Umgang mit den Großeltern, die zu den Zeugen Jehovas gehören, genauso zu gestatten wie die Teilnahme an Sektenveranstaltungen, wenn Eltern Mitglieder dieser Sekte sind (AG Osnabrück 69 F 173/04 SO, 69 F 173/04). Bedeutet das also einen Freibrief an die Sekten, naive Kinder hemmungslos zu indoktrinieren? Mitnichten. Das OLG Karlsruhe hat vielmehr entschieden, dass die Religionsfreiheit dort ihre Grenze findet, wo Kinder völlig vereinnahmt und jeder Entscheidungsmöglichkeiten beraubt, oder sonst Entwicklungs- oder Eingliederungsschwierigkeiten festgestellt werden (2 (20) UF 106/01).

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1 Gedanke zu „Muss der Staat Scientology-Mitgliedern Sorgerechte für ihre Kinder entziehen?“

  1. Tom Cruise und Katie Holmes haben eine Trennungsvereinbarung getroffen; somit ist die Frage nach einer Rolle von Scientology in einem Sorgerechtsstreit Makulatur.

    Es sei nur zu erwähnen, dass in den USA eine Zugehörigkeit von Menschen zu Scientology von Gerichten ganz anders bewertet wird als vermeintliche deutsche „Scientology-Experten“ uns weismachen wollen.

    So ist z. B. eine Äußerung von Scott Altman (Experte für Familienrecht an der juristischen Fakultät der University of Southern California) in Focus Online vom 3. Juli 2012 veröffentlicht (http://bit.ly/RQkjK6). Darin äußert sich Scott Altmann, dass Holmes etwaige Befürchtungen über Scientology bei einem Scheidungsprozess keine Rolle spielen dürften. O-Ton Altmann:

    “Gerichte sind sehr, sehr vorsichtig damit, eine Aussage darüber zu machen, ob Katholizismus schlecht ist für ein Kind oder Scientology oder das Judentum. Sie glauben, dass es nicht Aufgabe eines Gerichts ist, in einer pluralistischen Gesellschaft ein solches Urteil zu fällen. Wenn es also keine überzeugenden Beweise dafür gibt, dass durch eine bestimmte Praxis Schaden zugefügt wird, werden Gerichte einer solchen Argumentation nicht folgen. Und ich wäre auch schockiert, wenn ein Gericht in diesem Fall solchen Argumenten folgen würde.

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